Das Herz der europäischen Mikroelektronik schlägt in Sachsen

Menschen
Ein Teil des Teams vom Silicon Saxony e.V.
Team Silicon Saxony e. V.

Zu Besuch in der Geschäftsstelle des Silicon Saxony an einem strahlend schönen Frühlingstag in Dresden: Frank Bösenberg kommt gerade zurück von einem Projektmeeting in Delft, war kurz davor noch in Singapur und ist am nächsten Tag nach Breslau unterwegs. Im Sinn hat er dabei jedoch immer eins: Den Wirtschaftsstandort Sachsen im Bereich Hardware, Software und Konnektivität stärken.

Wie das gelingt? Gemeinsam! Frank Bösenberg ist seit 2014 im Silicon Saxony e. V. engagiert und dort seit Dezember 2018 auch Vorstandsmitglied und Clustermanager. Mit rund 350 Mitgliedern ist es das größte Hightech-Netzwerk Sachsens und eines der größten Mikroelektronik- und IT-Cluster Deutschlands und Europas.

Seit den 1970er Jahren ist Sachsen stark in der Mikroelektronik. Die Clusterinitiative selbst gibt es seit knapp 20 Jahren, die Gründung erfolgte im Jahr 2000 – zunächst mit etwa 35 Mitgliedern. Initialzündung für die Bildung eines Netzwerks war ein gemeinsamer Auftritt der im Bereich Mikroelektronik (von Insidern auch Halbleiterei genannt) existierenden Unternehmen unter dem Dach Silicon Saxony auf der Messe SEMICON in München. Ursprüngliches Ziel war vor allem die Vernetzung der Mitglieder innerhalb der Region, also vor allem die kleinen mit den damals existierenden großen (Siemens, später Infineon und AMD) zusammenzubringen und gemeinsame Geschäfte zu generieren.

Heute verbindet Silicon Saxony als eigenfinanzierter Verein Unternehmen, Dienstleister, Hochschulen/Universitäten, Forschungsinstitute, öffentliche Einrichtungen sowie branchenrelevante Start-ups am Wirtschaftsstandort Sachsen und darüber hinaus – es gibt sogar einzelne Mitglieder bis hin nach München, Hamburg oder gar Sizilien. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette der Mikroelektronik abgedeckt, von Zuliefererunternehmen bis hin zu den Produktionsfirmen Globalfoundries, Infineon, XFab, Bosch und hinzu kommen Softwarefirmen (z. B. SAP, T-Systems Multimedia Solutions) – das ist das absolute Alleinstellungsmerkmal der Region. Deren Wünsche und Leistungen in Einklang zu bringen stellt Frank Bösenberg und das Team der Geschäftsstelle täglich vor neue Herausforderungen.

Wie werden die Mitglieder konkret unterstützt?

Derzeit arbeiten elf Personen im Clustermanagement – darunter ein Auszubildender – und kümmern sich um Events, Kommunikation, administrative Aufgaben. Zum Team gehören auch Spezialisten für die Bereiche Software und Hardware. „Darüber hinaus haben wir etwa 30 Leute die ehrenamtlich tätig sind, auf die wir als Geschäftsstelle zurückgreifen. Wir erhalten Anfragen quer durch die Bank: z. B. aktuell möchte jemand eine ganz dünne Wolframfolie haben und wir versuchen dann, die richtigen Partner zu finden. Dabei hilft, dass wir im Team sehr eng zusammensitzen und der Austausch sehr schnell leistbar ist“, erläutert Frank Bösenberg.

Die Aufgaben haben er und das Team in fünf Feldern definiert: Information und Kommunikation, also das Aufbereiten und Verteilen von branchenrelevanten Informationen der Mitglieder und anderer Akteure; die Vernetzung der Mitglieder innerhalb der Region sowie darüber hinaus durch Veranstaltungen; die Unterstützung beim Standortmarketing, beispielsweise durch Gemeinschaftsstände auf relevanten Messen in Deutschland, Europa und der Welt; die Interessenvertretung auf regionaler, nationaler und EU-Ebene gegenüber der Politik sowie die Kooperations- und Projektanbahnung, also die Durchführung von Innovationsprojekten.

Natürlich sind die Bedarfe der Mitglieder unterschiedlich. Für einige steht das Standortmarketing im Fokus und sie beteiligen sich hauptsächlich an Messen, andere wiederum sehen den Mehrwert in der Interessenvertretung: „Die sehen uns vor allem als Kanal, ihre Wünsche an die Politik heranzutragen. Eins eint aber alle unsere Mitglieder: Vernetzt werden wollen sie alle. Wer mit wem und mit welchem Ziel müssen wir herauskriegen.” Auch die Themen, die bearbeitet werden, spiegeln die Bedürfnisse der Mitglieder. Aktuell stehen vor allem Industrie 4.0, Automatisierung und natürlich auch Künstliche Intelligenz (KI) im Fokus.

Dazu gibt es dann Veranstaltungen, insgesamt etwa 50 pro Jahr. Darunter sind kleinere, eher interne Arbeitskreise – derzeit 17 an der Zahl zu Themen wie RFID, KI, Personalentwicklung – wo man sich hands-on mit durchaus unterschiedlichen Zielrichtungen austauscht. Darüber hinaus gibt es Konferenzen, größere mitgliederinterne Events zur Vernetzung (Foren, Club Night, Sommerfest), die Jahreshauptversammlung, gremieninterne Events wie einen Strategietag, Arbeitskreisleitertreffen oder Veranstaltungen zur strategischen Ausrichtung von Ehrenamtlichen. Der jährliche Silicon Saxony Day vermischt all das ein bisschen und kann getrost als Hauptevent des Jahres bezeichnet werden. Newsletter und natürlich der persönliche Kontakt zu den Mitgliedern sind sowieso unverzichtbar. Anspruch der Geschäftsstelle ist es, jedes Mitglied mindestens einmal im Jahr zu sehen und zu sprechen – auf Veranstaltungen oder bei Vor-Ort-Besuchen.

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft

Eines ist Frank Bösenberg noch wichtig zu betonen. „Der (fast) alleinige Verdienst für die heute so starke Position des Silicon Saxony e. V. gebührt der jahrelangen Geschäftsführerin Gitta Haupold, die als treibende Kraft und voller Elan für den nachhaltigen Aufbau gesorgt hat. Ihre ruhige, überlegte Branchenkommunikation war in Krisenzeiten, deren Auswirkungen auch Europas führenden Halbleiterstandort trafen, ein souveräner Gegenpol. Unter ihrer Führung entwickelte sich Silicon Saxony e. V. zu einer Marke als weltweit respektierter Branchenverband.”

Ein großes Highlight für das Netzwerk in der Vergangenheit war die Ansiedlung von Bosch – deren größtes Einzelinvestment in der Firmengeschichte. Am Ende gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Singapur und man entschied sich für Dresden. Das Vorhandensein des starken Branchenverbandes Silicon Saxony war dabei sicher nicht der alleinige Grund, aber die Netzwerkarbeit der vergangenen Jahre hat den Standort Sachsen definitiv noch mal attraktiver gemacht und mit zu dieser Entscheidung beigetragen.

Die fortschreitende Internationalisierung des Netzwerks ist ein wichtiges Anliegen und wird auch die Zukunft prägen. Bereits jetzt hat sich Silicon Saxony mit seinen europäischen Pendants zu einem Metacluster Silicon Europe zusammengeschlossen. Ziel ist es, industrie- und organisationsübergreifende Kooperationen und Innovationen zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Mikroelektronikindustrie gegenüber Asien und den USA nachhaltig zu sichern. Gemeinsame Projekte laufen schon, viele Aktionen werden noch folgen.

Die engere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft über die Branchen hinweg zum Smart Systems Hub wurde durch Silicon Saxony mitinitiiert: Hier werden Hardware, Software und Konnektivität zusammengedacht und erforscht. Grundidee ist es, die Vielzahl bereits vorhandener Infrastrukturen, Initiativen, Themen und Verbünde zu nutzen, daher ist es logisch, dass viele Akteure aus dem Branchennetzwerk beteiligt sind.

Die Ausgangslage für den Hard- und Software-Standort Sachsen sind bestens – auch dank eines starken Netzwerks mit starken Leistungen.

Stimmen aus dem Netzwerk

Mann
Johannes Kade Silicon Saxony e. V.
Johannes Kade, Business Development Manager am Fraunhofer IPMS: „Ich bin ein Riesenfan des Networkings: In den 15 Jahren unserer Mitgliedschaft in Silicon Saxony haben wir bereits wertvolle Geschäftsbeziehungen aufbauen können, Konsortien gebildet und Projekte generiert. Die Teilnahme an Messen, wie beispielweise an der SEMICON West in San Francisco, ist gemeinsam viel sinnvoller – so wird der Standort Sachsen als Gesamtes wahrgenommen. Zudem unterliegt die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie einem ständigen Innovationsdruck und Silicon Saxony unterstützt uns bei der Vermittlung von passenden Partnern für Forschungskonsortien.”
Mann
Mirko Paul Silicon Saxony e. V.
Mirko Paul, Innovationsmanager SAP: Silicon Saxony versetzt uns in die Lage, die drei Säulen Hardware, Software und Konnektivität anwenderfreundlich zusammenzubringen. Dafür bietet der Smart Systems Hub – Enabling IoT die besten Voraussetzungen. SAP treibt Co-Innovation in diesem exzellenten sächsischen Öko-System von der Spitzenforschung, mittelständisch geprägten Anwendern und Start-ups voran, wir bringen unsere internationale Softwareentwicklungskompetenz und Implementierungserfahrung sowie internationale Verfügbarkeit und umfangreiche Kundenbasis in das Netzwerk ein. Dafür sind wir in Arbeitskreisen des Silicon Saxony zu KI, Start-ups, Software und Ausbildung engagiert und auch Premium-Partner des Smart Systems Hub.”