Norddeutschland als Leuchtturm der deutschen Ernährungswirtschaft

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Das Team des foodRegio e. V.
© @Olaf Malzahn, Presse Foto Nord, 2019
Team foodRegio e. V.

Auf dem Weg zu einem kurzen Gespräch mit dem Vorsitzenden des foodRegio e.V., Jochen Brüggen von der Brüggen KG, riecht es in Lübecks Straßen angenehm nach geröstetem Getreide. Eine gute Einstimmung auf das Thema Ernährungswirtschaft, die mit einem Umsatz von aktuell mehr als 51 Milliarden Euro und etwa 152.000 Beschäftigten einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Norddeutschlands ist.

Bereits 2004 gab es in den Räumlichkeiten der Firma Brüggen erste Überlegungen dazu, wie man diese beeindruckenden Leistungen besser sichtbar machen kann – sozusagen die Initialzündung für die Gründung eines Netzwerkes. Denn sprach man damals in der Region über Wirtschaft, ging es meist um Touristik, Logistik oder Medizintechnik. Ernährungswirtschaft war zwar damals schon der bedeutendste Bereich im produzierenden Gewerbe, spielte aber in der Wahrnehmung keine besondere Rolle. Das sollte sich ändern. Um das Jahr 2005 herum schlossen sich weitere sieben Unternehmen aus der Region dem informellen Kreis an. Schnell wurde klar: Wenn wir uns besser vernetzen, dann haben wir auch eine stärkere Position und können gemeinsam mehr bewirken, beispielsweise bei der Anpassung von Infrastrukturen oder der Fachkräftesicherung – an den Lübecker Hochschulen fand das Thema Ernährung im Gegensatz zu heute noch gar nicht statt. Das war die Geburtsstunde von foodRegio, die 2007 in die Vereinsgründung mit 12 Mitgliedern mündete. Heute hat das Netzwerk 80 Mitglieder, die über alle fünf norddeutschen Bundesländer verteilt sind, wenn auch der Schwerpunkt nach wie vor im südlichen Schleswig-Holstein und Hamburg zu finden ist. Die Mitglieder bilden dabei die ganze Wertschöpfungskette Ernährung ab: Von der Urproduktion und Veredlung über die Distribution bis hin zur Konsumption, von Start-ups bis hin zu Traditionsunternehmen wie Brüggen oder Schwartauer Werke.

Arbeitskreise als Kern der Netzwerkarbeit

Eine wichtige Aufgabe des foodRegio-Teams ist es, alle Mitglieder gleichermaßen mitzunehmen. Denn obwohl die Geschäftsstelle in Lübeck angesiedelt ist, haben Clustermanager Prof. Dr. Björn P. Jacobsen und das aktuell aus vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehende Team alle im Blick: „Wir sind längst kein Lübecker Netzwerk mehr, sondern stehen für ganz Norddeutschland, deshalb findet auch die Hälfte unserer Veranstaltungen verteilt über Norddeutschland statt.“ Wichtigstes Rückgrat der Netzwerkarbeit sind die Arbeitskreise. Derzeit sind es neun, in denen Experten der Mitglieder zusammenkommen und an den Themen Beschaffung, Maschinenbau, Innovation, Logistik, Markt & Kommunikation, Personal/Allgemein, Personal/Ausbildung, Qualität & Zertifizierung, Verpackung arbeiten. Jeder Arbeitskreis hat die ständige Aufgabe Projekte zu entwickeln und trifft sich mindestens zweimal pro Jahr. Die meisten treffen sich häufiger. In der Geschäftsstelle des foodRegio e.V. ist jedes Teammitglied zuständig für die Organisation von zwei bis drei Arbeitskreisen und es gibt auch jeweils einen Unternehmenspaten als fachlichen Ansprechpartner.

Viele unterschiedliche Projekte zum Nutzen aller Mitglieder sind bereits aus der zielgerichteten Arbeit hervorgegangen. Beispiele: Aus dem Arbeitskreis „Personal/Ausbildung“ heraus wurde die Azubikampagne „Foodstarter“ entwickelt, ergänzt um ein Jobportal aus dem Arbeitskreis „Personal/Allgemein“. Doch Ausbildung und Qualifizierung von Personal ist nur einer von vielen wichtigen Bausteinen für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Netzwerk.

Welche Themen bewegen aktuell?

Das gedankliche Modell, an dem sich foodRegio orientiert, ist die Wertschöpfungskette Ernährung. Davon ausgehend werden Querschnittsthemen identifiziert, die in den Arbeitskreisen dann tiefergehend bearbeitet werden. Aktuell stehen auch branchenübergreifende Herausforderungen wie die Bedeutung der Digitalisierung oder das Thema Start-ups und Accelerator in der Ernährungswirtschaft auf der Agenda. Bei beidem sieht Prof. Jacobsen eine besondere Rolle von Clustern: „Gerade beim Gründungsthema geht es darum, die besten Köpfe zu finden. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Netzwerk und der persönliche Kontakt sind da Gold wert. Die Digitalisierung auf der anderen Seite ist ein besonderes Spannungsfeld. Ich selbst stelle fest: Je mehr wir über Digitalisierung sprechen, desto persönlicher – also ‚undigitalisierter‘ – werden die Dienstleistungen die bei uns abgefordert werden.“

Logo
Logo newtritionX

Das dritte Thema, das derzeit stark im Fokus des Branchennetzwerks steht, ist die Personalisierte Ernährung. Zu diesem Innovationsschwerpunkt hat foodRegio mit der NEWTRITION X. 2018 den ersten Kongress in Europa veranstaltet und wird sich hier als Vorzeigeregion positionieren: Das Zukunftsthema Personalisierte Ernährung soll im Norden stattfinden, die Infrastruktur dafür ist vorhanden – auch dank exzellenter Forschungseinrichtungen.

Tiefe Vertrauensbasis wächst aus persönlichem Kontakt

Darüber hinaus werden Themen in vielen weiteren Formaten angegangen. Veranstaltungen wie Marketing Menüs, Projekttreffen, Mitgliederversammlungen, Firmenbesuche – auch mit Vertretern der Landespolitik – oder auch Messen. So wird foodRegio im Jahr 2019 erstmals auf der Anuga in Köln, der weltgrößten Fachmesse für die Lebensmittelbranche, mit dem Fachkongress NEWTRITION X präsent sein. Ergänzend dazu gibt es Schulungen, Seminare oder Workshops, die abgestimmt auf Wünsche und Bedarfe der Mitglieder beispielweise zu Hygienemanagement oder Lebensmittelsicherheit informieren.

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Der Trendtag 2019 zum Thema Superfoods
© foodRegio e.V.
Trendtag foodRegio

Ein Highlight im jährlichen Terminkalender und überregional bekannt ist der Trendtag, der seit mehr als zehn Jahren stattfindet. Zuletzt standen am 21. Februar 2019 Superfoods im Fokus der 230 Teilnehmenden, ein neuer Besucherrekord! Prof. Jacobsen: „Der Trendtag gibt einen wirklich guten Einblick, wie unser Netzwerk funktioniert und wie wir miteinander umgehen. Auf diese Weise ist er ein gutes Vehikel für uns und wir konnten darüber schon viele Unternehmen überzeugen sich der foodRegio anzuschließen.“

Formate wie diese ermöglichen die Vernetzung, am wichtigsten jedoch sind die direkten Gespräche und die Niederschwelligkeit, die durch die gemeinsame Arbeit im Netzwerk möglich wird. Das erklärte Ziel ist es, dass man sich direkt anruft oder besucht – ohne, dass es ständiger formaler Austausche bedarf. „Das Vertrauen, das zwischen den handelnden Personen entsteht, ist und bleibt der Markenkern unseres Netzwerks und ist absehbar nicht durch Digitalisierung ersetzbar“ ist sich Prof. Jacobsen sicher. Konkurrenzgedanken zwischen den Mitgliedern gibt es nicht, Vertrieb und Marketing finden im Netzwerk nicht statt. Wettbewerbsunkritische Themen wie die optimierte Produktion oder Logistik, Qualifikation der Mitarbeiter – darum geht es. Deshalb gibt es auch einen Kodex zum Umgang miteinander, eine ausgeprägte Netzwerkkultur, die eben jene Vertrauensbasis schafft. Zusammen wird auch die Strategie des Netzwerks, der Masterplan 2025, stetig weiterentwickelt und gemeinsam gelebt.

Das ist auch für Prof. Jacobsen der zentrale Punkt: „Ich empfinde es als großes Privileg, mit engagierten Unternehmen zusammenzuarbeiten, von ihnen zu lernen und zu sehen, wie sie sich entwickeln.“

Stimmen aus dem Netzwerk

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Jochen Brüggen (2. von rechts) mit dem foodRegio-Team
Jochen Brüggen
Jochen Brüggen, Managing Director H. & J. Brüggen KG: „Wir waren 2005 Mitinitiatoren des foodRegio. Ziel war es, Gemeinsamkeiten der damals schon starken regionalen Ernährungsindustrie besser zu nutzen. Ein zentraler Vorteil heute ist die Niederschwelligkeit, die durch Arbeitskreise und Veranstaltungen innerhalb des Netzwerks entsteht: Man kennt sich persönlich, ruft sich einfach mal an, besucht sich gegenseitig, lernt voneinander. Darüber hinaus gibt es positive Skaleneffekte. Ein Beispiel: Wir Unternehmen haben festgestellt, dass wir zum Teil einzeln die gleichen Kunden des Lebensmitteleinzelhandels mit nur wenigen Paletten beliefern, das dann gebündelt und profitieren davon alle! Als dritten großen Vorteil, den foodRegio bietet, sehe ich die Möglichkeit zur Strukturveränderung. Wenn man eine kritische Masse an Unternehmen mit den gleichen Interessen hat – siehe z.B. die Fachkräftesicherung in der Ernährungswirtschaft – kann man beispielsweise besser an die Hochschulen herantreten und hat eine bessere Verhandlungsbasis. Insgesamt wird die Ernährungsindustrie als starke Branche im Norden durch die gemeinsame Arbeit in foodRegio inzwischen viel besser wahrgenommen, auch von Seiten der Politik.”

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Schröder perfood
Dr. Torsten Schröder, Gründer Perfood GmbH: „Wir haben nur Vorteile durch die Mitgliedschaft bei foodRegio, wir konnten bereits viele Projekte umsetzen und Partnerschaften etablieren. Ich freue mich besonders darauf, die neu gegründete Fokusgruppe ‚personalisierte Ernährung‘ mitzugestalten. Hier treffen etablierte Firmen auf junge Unternehmen wie unseres, um an der Schnittstelle von Ernährungswirtschaft und Gesundheitskunde Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln.”

Zum Thema Personalisierte Ernährung: MillionFriends

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