Nach oben gibt es keine Grenzen: Luftfahrt in der Metropolregion Hamburg

Menschen mit Schild
Das Team von Hamburg Aviation freut sich auf die Clusterwoche.
Team Hamburg Aviation

Von seinem Büro aus kann Clustermanager Dr. Franz Josef Kirschfink die Elbphilharmonie, das neue Wahrzeichen von Hamburg, sehen. Die Musik spielt hier aber ganz woanders: Hamburg Aviation ist das Luftfahrtcluster für die Metropolregion Hamburg – aktuell der drittgrößte zivile Luftfahrtstandort der Welt.

Die Metropolregion erstreckt sich über circa 100 mal 60 Kilometer und umfasst um die fünf Millionen Einwohner. Über 40.000 Personen davon sind direkt in der Luftfahrt beschäftigt. Die Gründung des Clusters geht auf eine Initiative im Jahr 2001 zurück, als Airbus am Standort Hamburg einen Teil der A380-Produktion aufbauen und gleichzeitig den Bau der A320-Familie deutlich ausweiten wollte. Dafür waren viele Ingenieure und weitere Fachkräfte nötig. Gespräche mit der Stadt Hamburg führten dazu, dass sich eine Qualifizierungsinitiative Luftfahrt gegründet hat – das war der Startpunkt des Clusters. Der nächste Meilenstein war 2007 die Bewerbung als Spitzencluster, für die sich Akteure aus Wissenschaft, Unternehmen und Stadt gemeinsam engagierten und 2008 die erste Luftfahrtstrategie für den Standort Hamburg entwickelten. Nach dem Gewinn des Spitzencluster-Wettbewerbs nahm das weiter Fahrt auf und mündete 2011 in der Gründung des Hamburg Aviation e. V. als Clustermanagementorganisation, mit damals zwei Mitarbeitern.

Eine solide Basis, drei Säulen und eine Menge mehr

Seit fünf Jahren ist Franz Josef Kirschfink dabei und hat mittlerweile ein Team aus 12 Personen plus zwei Studenten. Die Geschäftsstelle des Clusters ist die solide Basis: Als Hamburg Aviation Office setzt das Team die im Cluster beschlossenen Maßnahmen um. Ihr Ziel ist es, die Mitglieder von Hamburg Aviation zu vernetzen, die Fachkräfteentwicklung zu befördern, den Wissenstransfer auszubauen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Daran wird in drei Gruppen gearbeitet: Community Management, wo man sich um die Mitglieder und Kooperationen kümmert, Internationalisierung sowie Marketing/PR/Events.

Die konkrete Umsetzung erfolgt in verschiedenen Formaten: Es gibt passgenaue Veranstaltungen mit intensiven Networking-Anteilen – die größte ist das Hamburg Aviation Forum, das dreimal im Jahr stattfindet. Hier kommen im Schnitt 200 Teilnehmende zusammen und tauschen sich über Trends und Technologien in der Luftfahrt aus. Weitere Themen, die beispielsweise in Barcamps oder Workshops bearbeitet werden, reichen vom Employer Branding über Finanzierung bis hin zu neuen Kooperationsformen. Ist genügend Interesse da, kann aus so einem Thema auch mal eine Arbeitsgruppe entstehen. Mit vielfältigen Instrumenten der Außendarstellung unterstützt das Team der Geschäftsstelle die Mitglieder ebenfalls: auf der Website und über mehrere Social-Media-Kanäle wird umfassend informiert. Auf allen großen internationalen Messen zum Thema Luftfahrt präsentiert sich das Luftfahrtcluster auf Gemeinschaftsständen.

Die drei inhaltlichen Säulen der Clusterarbeit sind Forschung und Innovation, Personal und Qualifikation sowie Zulieferketten und KMU-Services. Die Säule Forschung und Innovation wird vom ZAL (Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung) moderiert. Hier werden unternehmensübergreifend in modernster Infrastruktur neue Technologien für die zivile Luftfahrtindustrie erforscht und entwickelt. Seit 2016 gibt es das TechCenter, wo auf knapp 26.000 Quadratmetern Nutzfläche ca. 600 Mitarbeiter Platz finden: „Sowas wie ein Silicon Valley der Luftfahrt auf kleinem Raum, eine einmalige Einrichtung in Europa zum Thema Luftfahrt”, beschreibt es Franz Josef Kirschfink.

Die Säule Personal und Qualifikation wird vom HCAT+ e.V. gesteuert: Ziel ist es, eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildungslandschaft zu schaffen und Personal an die Luftfahrt in der Metropolregion Hamburg zu binden. Dafür werden u.a. neue Studiengänge entwickelt, im Hamburg Center of Aviation Training zudem auch Schulungen in neuen Technologien angeboten – aktuell zum Beispiel im vom Bund geförderten Projekt DigiNet.Air, in dem Weiterbildungsangebote für KMU auf dem Weg in die Digitalisierung entwickelt werden.

Die dritte Säule Zulieferketten und KMU-Services wird von den Verbänden Hanse Aerospace e.V. und HECAS e.V. moderiert, die große Expertise für KMU bzw. für Ingenieurdienstleister vereinen. Hier geht es vor allem darum, die Lieferkette auszubauen und weiterzuentwickeln und auch die kleinen und mittleren Akteure am Standort in bestehende Lieferketten zu integrieren. Das Luftfahrtcluster engagiert sich zudem in der Supply Chain Excellence Initiative, in der alle regionalen und bundesweiten Netzwerke der deutschen Luftfahrt vereint sind.

Mitgliederstruktur spiegelt Vielfalt des Clusters wider

Zum Start 2011 vereinte das Luftfahrtcluster 15 Gründungsmitglieder, darunter die großen Industrieakteure Airbus, Lufthansa Technik, Hamburg Airport, die Verbände Hanse-Aerospace, HECAS und BDLI, die Institute und Forschungseinrichtungen DLR, HCAT+ und ZAL sowie die vier Hamburger Hochschulen. Auch Hamburg Invest sowie die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sind dabei. Bis heute ist das Netzwerk auf etwa 175 Mitglieder stark gewachsen, darunter sind ca. 130 KMU. Franz Josef Kirschfink sieht ein Potenzial von etwa 60 Firmen, die man noch binden könnte bzw. von der Ansiedlung in der Metropolregion überzeugen möchte: „Überzeugung ist das Stichwort, wir machen keine gezielte Werbung. Uns ist es wichtig, dass die Unternehmen selber die Mehrwerte einer Mitgliedschaft sehen. Die Stimmung unserer Mitglieder ist für uns sehr wichtig, in persönlichem Kontakt und Besuchen versuchen wir zu erfahren, was gerade besonders interessiert. Darauf abgestimmt kreieren wir neue Angebote, für KMU entwickeln wir z.B. gerade Ideen, wie sie sich Dualstudenten teilen können. Gerade sind wir auch wieder inmitten eines Strategieprozesses, in den wir alle Mitglieder einbinden: Was ist euch besonders wichtig, was braucht ihr?”

Internationalisierung und besondere Highlights

Es liegt in der Luft: Internationalisierung spielt in der Branche eine große Rolle, die Ausdehnung der Lieferantenbasis über die Kontinente hinweg nimmt zu. Dafür wurde eine Internationalisierungsstrategie erarbeitet, speziell für KMU in der Luftfahrt, die nun konsequent umgesetzt wird und auch ein Highlight für den Clustermanager ist: „Wir haben mit Portugal, Brasilien und Kanada drei Hauptregionen identifiziert, mit denen wir kooperieren. Besonders mit Quebec gibt es bereits konkrete Forschungsprojekte, da haben wir schon viel gelernt und der Kontakt wächst. Erst neulich war eine Delegation von 40 Kanadiern hier – schön zu sehen, wie das Früchte trägt!” Darüber hinaus wird von Hamburg aus die European Aerospace Cluster Partnership geführt: Eine seit zehn Jahren bestehende europaweite Clusterinitiative, in der aktuell 43 Cluster aus 18 Ländern vertreten sind.

Ein weiteres besonderes Highlight im Cluster ist das Thema Flugzeugkabine: Der Standort Hamburg ist das Zentrum weltweit für dieses Thema – und will es bleiben. Seit 2007 gibt es den Crystal Cabin Award, der von einer internationalen Jury in verschiedenen Kategorien vergeben wird. „Das kann man sich ein bisschen vorstellen wie bei den Oscars. Wir bekommen da immer enorm viel Presseresonanz, auch weil sich jeder Mensch darunter etwas vorstellen kann und vielleicht hofft, das selber einmal im Flugzeug erleben zu können”, sagt Kirschfink. Der Award hat Firmen und Einzelpersonen bereits große Aufmerksamkeit und dadurch Geschäftserfolge beschert, das macht Kirschfink auch sehr froh: „Ein Beispiel: Krüger Aviation aus Barsbüttel, die u. a. Badspiegel auf Kunststoffbasis für Flugzeuge herstellen – die waren vor drei Jahren Finalist und 2019 erneut auf der Shortlist und haben durch die internationale Presseresonanz eine enorme weltweite Aufmerksamkeit erfahren.”

Das Thema Start-ups in der Luftfahrt hat auch deutlich an Fahrt aufgenommen. Durch Initiativen aus dem Cluster – vor allem von Airbus und Lufthansa Technik – konnten Ideen in einer Acceleratorphase entwickelt werden, mittlerweile sind mehrere Start-ups erfolgreich am Markt. Ein Beispiel ist jetlite, das ein Produkt zur Verringerung des Jetlags auf Langstreckenflügen beiträgt.

Eine Evaluation der Uni Freiburg attestierte dem Luftfahrtcluster kürzlich einen sehr hohen Vernetzungsgrad zwischen den Akteuren. Kein Wunder, bei so viel Aktivität!

Film: Was ist Hamburg Aviation?

Stimme aus dem Netzwerk

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David Küstner, Geschäftsführer Synergeticon GmbH
© Synergeticon GmbH
Hamburg Aviation David Küstner
Seit wann sind Sie Mitglied in der Clusterinitiative und wie kam es dazu, dass Sie sich hier engagieren?

Synergeticon ist seit Ende 2016 Mitglied im Luftfahrtcluster Hamburg Aviation. Unser Fokus war schon immer die Luftfahrtindustrie und so wurden wir auf das Cluster aufmerksam. Wir haben es als gute Möglichkeit gesehen, uns weiter in der Branche zu vernetzen und den Markt kennenzulernen. Dies ist gerade durch die „Geschlossenheit” des Luftfahrtmarktes essentiell für kleinere Unternehmen, um den Zugang zum Markt zu bekommen. Ganz entscheidend in dem Prozess war unsere Teilnahme am Airbus BizLab Programm und unser Umzug in das ZAL TechCenter.



Können Sie beschreiben, welche Vorteile Sie dadurch haben? Was bringt es Ihnen?

Das Hamburg Aviation Cluster bietet gerade jungen Unternehmen wie Synergeticon durch das Netzwerk und die Veranstaltungen eine gute Plattform, sich zu präsentieren und die Wahrnehmung zu erhalten, die für den Marktzugang nötig ist. Darüber hinaus bietet das Cluster ein gemeinsames Forum für den Kontakt zur öffentlichen Hand und vor allem zu wissenschaftlichen Institutionen, seien es Forschungsinstitute oder Universitäten. Diese Kontakte schätzen wir sehr, da wir neues Wissen schnell erschließen und in wirtschaftlich sinnvolle Produkte für die Industrie umsetzen können. Dies beschleunigt Innovation. Die Clusterinitiative vereinfacht außerdem unseren Recruiting-Prozess, da wir gezielt luftfahrtbegeisterte Menschen ansprechen und so die besten Talente in diesem Bereich finden können. Denn nur durch die Begeisterung und Leidenschaft unserer Mitarbeiter können wir unsere Vision umsetzen.

Gab es bereits konkrete Projekte/Kooperationen, die sich aus Ihrer Mitgliedschaft ergeben haben? Sind beispielsweise besondere Innovationen hervorgegangen?

Aus der Mitgliedschaft hat sich vor allem unsere Kooperationen mit Airbus Operations ergeben, aus der einige Innovationen im Bereich der Effizienzsteigerung von Fertigungsprozessen hervorgegangen sind. Darüber hinaus sind auch unsere Forschungsprojekte, die wir gemeinsam mit den Hamburger Hochschulen (insbesondere mit der HSU) machen, aus dem Cluster hervorgegangen.