Meldung
09.07.2019

BioEconomy Cluster: Positionspapier zum Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier

Der notwendige Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier bietet eine einmalige Ausgangssituation und die Chance für eine zukunftsweisende wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region zwischen Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Um die strategischen Überlegungen von CeChemNet sowie der IHK Halle-Dessau zu unterstützen, hat der BioEconomy e. V. im Juni 2019 ein Positionspapier veröffentlicht, das die Handlungsfelder zum erfolgreichen Strukturwandel Mitteldeutschlands in den Bereichen der Bioökonomie ergänzt. Als entscheidendes Kriterium wird die Neuansiedlung und Erweiterung des Industrieportfolios genannt, das unter anderem eine infrastrukturelle Weiterentwicklung und Anpassung der Chemiestandorte erfordert. Insbesondere durch Neuinvestitionen, Förderung und Ansiedlungsunterstützung von Unternehmen der Bioökonomie soll der bio-basierte Wirtschaftszweig gestärkt werden.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: „Die Kohleregionen tragen jetzt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: „Die Kohleregionen tragen jetzt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“
© Staatskanzlei Sachsen-Anhalt
BioEconomy Cluster: Positionspapier zum Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier

Der BioEconomy e. V. unterstützt vollumfänglich die Stellungnahme der CeChemNet vom März 2019 zum obigen Abschlussbericht als auch zum Positionspapier der IHK Halle-Dessau vom Juni 2019. Darüber hinaus ist es aufgrund der Spezifik der Handlungsfelder in den Bereichen der Bioökonomie erforderlich, weiterführende Aspekte zum erfolgreichen Strukturwandel in Mitteldeutschland anzuführen:

  • Die Bioökonomie ist ein wichtiger Treiber für den erfolgreichen Strukturwandel und die weitere Entwicklung bzw. Umsetzung der bio-basierten Wirtschaft in den drei Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt: es müssen zunehmend heimische, nachhaltig verfügbare und nachwachsende Rohstoffe – wie z. B. Zucker und Holz – zu neuen, zuverlässigen Produkten durch die Entwicklung und Realisierung neuer Technologien in der Chemieindustrie und nachgelagerter Bereiche verarbeitet werden. Nicht zuletzt deshalb wurde 2020 als das Jahr der Bioökonomie in Deutschland ausgerufen.
  • Die erhoffte Stärkung der Bioökonomie durch entsprechende Neuinvestitionen im Umfeld der industriellen Kerne spielt dabei eine wichtige Rolle. Der überregionalen, effizienten Kooperation aller beteiligten Partner der Wertschöpfungsketten kommt bei der Bewältigung des Strukturwandels besondere Bedeutung zu.
  • Der BioEconomy e. V. befürwortet eine Förderung und Ansiedlungsunterstützung von Unternehmen der Bioökonomie, die nachhaltige Schlüsseltechnologien mit nach Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bringen können. Der BioEconomy e. V. hat dafür im vergangenen Jahr mit dem Lösungsansatz BioToM („BioEconomy To Market”) ein durchgängiges Konzept entwickelt, um neue Verfahren und Prozesse rascher skalieren und industrialisieren zu können. Hieraus können sich vielfältige Entwicklungs- und Ansiedlungsmöglichkeiten für die Länder im Strukturwandel ergeben.
  • Die Förderung und Ansiedlungsunterstützung für Unternehmen der Bioökonomie erfordern auch die infrastrukturelle Weiterentwicklung und Anpassung der Chemiestandorte sowie die Schaffung eines verbesserten wissenschaftlichen Umfelds, z. B. die Etablierung eines Wissenschaftscampus. Die Stärkung von Fachkräfteaus- und -weiterbildung ist essentiell. Es sollten an Universitäten, Hoch- und Berufsschulen für die Bioökonomie relevante Fächer gestärkt oder ggf. neu aufgebaut werden. Hierzu sind weitergehende Aktivitäten erforderlich, die die verfügbaren Ressourcen und Kapazitäten der unterschiedlichsten Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen Mitteldeutschlands – universitär, außeruniversitär, berufsbildend, berufsbegleitend – zielgerichtet und optimal in die Aktivitäten des systematischen Strukturwandels mit einbindet.
  • Der BioEconomy e. V. ist davon überzeugt, dass der Strukturwandel nicht geschafft werden kann, wenn die derzeitig gültigen beihilferechtlichen Regeln der EU für die betroffenen Regionen nicht ausgesetzt werden. Eine Möglichkeit wäre hier die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone und/oder die Wiedereinführung der Investitionszulage.
  • Die Länder und der Bund müssen bei der EU den Status eines „Fördergebietes A” verhandeln, ansonsten sind die Fördersätze trotz hoher Fördersummen nicht attraktiv genug. Jede investitionsbereite Firma schaut nach den Fördersätzen und leider sind diese für große Unternehmen nicht mehr interessant. Es besteht die große Gefahr, dass diese Firmen weiter in Richtung Osteuropa ziehen. In der Bioökonomie gibt es dafür zahlreiche Beispiele.
  • Die verlässliche Versorgung mit international wettbewerbsfähigem Strom ist die Basis für jegliche industrielle Entwicklung. Die absolute Energieversorgungssicherheit, insbesondere im Bereich Industriewärme, muss gewährleistet werden (biogene Prozesswärme).
  • Es kann bei dem Strukturwandel nicht nur darum gehen, dass „vorhandene industrielle Strukturen weiterentwickelt werden”. Mit einer Stärkung bzw. Aufbau der Bioökonomie bietet sich für die Chemie- und Kunststoffindustrie eine einmalige Chance: durch Bereitstellung von nachhaltigen, bio-basierten Rohstoffen und neuen Verfahren zu deren Konversion für die Wertschöpfungsketten der Chemie- und Kunststoffindustrie werden diese zukunftssicherer und können sich noch besser vom Wettbewerb differenzieren. Bei der angestrebten langfristigen Etablierung von Biokunststoffen muss im Rahmen des notwendigen Strukturwandels unbedingt auch deren Entsorgung und Wiederverwendung im Sinne der Kreislaufwirtschaft mitgedacht werden. Gerade in dem derzeitigen Umfeld (Stichworte „War on plastics”, „Fridays-for-future”) kann das zu einem Standortvorteil werden.
  • Für den Bereich Bioökonomie und Ansiedlung von Bioraffinerien ist im Unterschied zur Chemieindustrie zusätzlich ein effizientes Wassermanagement notwendig. Handling und Aufschluss von Biomasse aber auch biotechnologische Prozesse benötigen größere Mengen von Prozesswasser hoher Qualität. Die entsprechenden Mengen Abwasser müssen mit modernen Methoden effizient gereinigt werden. Auch genehmigungsrechtlich muss dem Rechnung getragen werden.
  • Aber wirkliche „Quantensprünge” für einen Strukturwandel werden im Wesentlichen nur durch Neuansiedlungen und Erweiterungen des Industrieportfolios erreichbar sein. So wichtig das Bestehen der Industriestandorte im Kostenwettbewerb mit anderen Regionen auch ist: letztlich werden nur zusätzliche qualitative Alleinstellungsmerkmale einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil ermöglichen.