Meldung
14.06.2019

microTEC Südwest: Erfahrungsaustausch zu Industrie 4.0 in der Sensorfertigung

Der Erfahrungsaustausch von Unternehmen aus der Sensorik-Branche stand am 30. April 2019 im Fokus der gemeinsamen Veranstaltung des Spitzenclusters microTEC Südwest, Mitglied im Programm „go-cluster”, und der Sick AG zum Thema „Industrie 4.0 in der Sensorfertigung”. Best-Practice-Vorträge wurden ergänzt durch Pitches, in denen Anbieter von Industrie 4.0-Technologien ihre konkreten Lösungen für die Sensorfertigung vorstellten. Die Doppelperspektive von Unternehmen aus der Sensorik-Branche – sowohl als Anbieter von Industrie 4.0-Technologien als auch als Anwender von IoT-Technologien in der eigenen Produktion – bot vielschichtige Diskussionen. Zusätzlich wurden Anwendende mit Technologieanbietern zusammengebracht, um gemeinsam Herausforderungen und Lösungen zu erörtern. Die Veranstaltung fand im Rahmen der „Allianz Industrie 4.0” statt.

microTEC Südwest: Erfahrungsaustausch zu Industrie 4.0 in der Sensorfertigung
© microTEC Südwest
microTEC Südwest: Erfahrungsaustausch zu Industrie 4.0 in der Sensorfertigung

Sensoren dienen als Basis für Industrie 4.0, cyber-physische Systeme, für Predictive Maintenance und auch für das immer mehr in den Fokus rückende maschinelle Lernen als Teil-Disziplin der Künstlichen Intelligenz. Dafür müssen Sensoren vernetzt, intelligent, miniaturisiert und energieeffizient sein. Außerdem muss eine Bandbreite an Messgrößen erfasst werden, um komplexe Systeme abzubilden – Multisensorik und Sensorfusion kommen hier ins Spiel. Diese Bedingungen stellen besondere Anforderungen an die Sensorentwicklung und –fertigung. Der Fokus der Veranstaltung lag daher auf der Fertigung von Sensoren und Sensorlösungen. Die Herausforderungen, wie Industrie 4.0-Technologien eingesetzt werden können, um die Fertigungsprozesse effizienter, flexibler und intelligenter zu machen, wurden vorgestellt und diskutiert.

Besonders spannend an diesem Thema ist, dass Unternehmen aus der Sensorik-Branche eine Doppel-Perspektive einnehmen. Sie treten häufig sowohl als Anbieter von Industrie 4.0-Technologien auf als auch als Anwender von IoT-Technologien in der eigenen Produktion. Dies bietet einen einzigartigen Erfahrungsschatz. Auch die Sick AG als Gastgeber dieser Veranstaltung nimmt diese Doppelperspektive ein und steht für intelligente Sensorik sowie für intelligente Produktion.

Diese zwei Sichtweisen betonte auch Herr Bernhard Müller von der Sick AG. Er hob die Ziele und Vorteile durch Industrie 4.0 hervor, beispielsweise, dass die Qualitätskontrolle im Prozess selbst statt am Ende eines Prozesses durchgeführt wird. Dafür ist die Einführung des Edge Computings zentral, also der Datenverarbeitung im bzw. nah am Sensor, um die SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) als Engpass zu umgehen. So erst wird z.B. die Kontrolle von Bremsen am fahrenden Zug möglich, da die enormen Mengen an 3D-Daten bereits am Sensor vorverarbeitet und nicht erst aufwändig übertragen werden müssen.

Eine Besonderheit war die Vorstellung der 4.0 Now Factory, in der die Sick AG Industrie 4.0-Technologien in einer Fabrik umfassend umsetzt. Die Fabrik wurde erst in diesem Jahr auf der Hannover Messe vorgestellt. Sie ermöglicht die Fertigung einer hohen Produktvarianz von Sensoren, dient aber auch dazu, zu lernen, wo neue Applikationen von Industrie-Sensoren liegen. Herr Thomas Adolph stellte hierzu die Details vor: wie die Fertigungsschritte und Logistik durch Agenten geleitet werden, wie über Dashboards die Prozesse von der Anlage bis hinunter zum Sensor kontrolliert und analysiert werden können, wie über 3D-Simulationen Szenarien und Abläufe getestet werden können uvm. Das Ergebnis ist eine intelligente und selbstlernende Fabrik mit universellen Fertigungsschritten und einer hohen Ausnutzung der Produktionskapazität.

Im Vortrag von Herrn Dr. Volker Frey (Strategie-Experte Digitalisierung, Endress+Hauser SE+Co. KG) stand die Anwendung von Künstlicher Intelligenz am Produktionsstandort in Maulburg im Vordergrund. Die Motivation, maschinelles Lernen anzuwenden, liegt hier darin, dass in der Fertigungsindustrie im Allgemeinen und in der Sensorfertigung im Konkreten Unmengen an Daten anfallen, die bisher nicht genutzt werden. Die Fertigung ist datenreich, aber informationsarm. Bevor allerdings KI-Methoden zum Einsatz kommen können, muss erst ein großer Aufwand betrieben werden, um die Daten zu speichern, zu bereinigen, zu transferieren und zu labeln. In etlichen Produktionsbereichen wie Lötprozessen, Endmontage und Auftragsplanung hat Endress+Hauser durch die Anwendung von maschinellem Lernen enorme Fortschritte erzielt.

Herr Clemens Haberstroh (Abteilungsleiter User Centric Innovation, Endress+Hauser SE+Co. KG) stellte Industrie 4.0-Lösungen vor, die Endress+Hauser für die Prozessindustrie entwickelt hat. Die Netilion Cloud etwa ist ein IIoT-Ökosystem (Industrial Internet of Things), die alle Assets in der Prozessindustrie abbildet, so dass der Gesundheitszustand aller Komponenten im Feld erfasst werden kann. Das Smart Maintenance Konzept basiert auf der Heartbeat-Technologie und erlaubt eine Diagnose von Geräten und Anlagen wie beispielsweise von radiometrischer Füllstandstechnik für raue Prozessbedingungen wie sie etwa in der Bitumenverarbeitung entstehen. Gesundheitszustand und Ausfallwahrscheinlichkeit der Geräte sind damit vorhersagbar und Kosten, die bei Geräteausfall entstehen können und in der Prozessindustrie häufig sehr hoch ausfallen, werden vermieden.

Die Strategie, die Balluff anwendet, um Industrie 4.0 im eigenen Unternehmen zu implementieren, wurde von Herrn Andreas Schönle (Projektleiter im Team Lean & Digital Engineering, Balluff GmbH) vorgestellt. Hierbei werden Prozesse zunächst verschlankt / „lean” gemacht, bevor IIoT-Lösungen entwickelt werden. Die Digitalisierungsstrategie verfolgt dabei sowohl die interne als auch die externe Perspektive: Zum einen geht es um die Transformation des eigenen Unternehmens in ein „leanes” und digitales Unternehmen durch die Transformation der eigenen Supply Chain. Zum anderen werden Customer Journey und neue Geschäftsmodelle neu betrachtet. Im Walk of Automation werden Industrie 4.0-Lösungen an konkreten Stationen von Produktion und Supply Chain umgesetzt. Dabei werden eigene Problemstellungen benutzt, um Lösungen für Kunden zu entwickeln. Aber auch Problemstellungen von Kunden werden benutzt, um Lösungen für die eigene Produktion zu entwickeln.

Herr Sebastian Köhler (Produktmanager Software, Balluff GmbH) führte den Walk of Automation anhand von Beispielen weiter aus. So wurde eine Füllstandsüberwachung von Verpackungsmaterial auf Basis von eigener Sensorik integriert, die eine automatische Nachbestellung von Material veranlasst, wenn der Füllstand niedrig ist. Eine Hauptanwendung ist das Nachrüsten von Werkzeugmaschinen. Die Nachrüstung von Werkzeugen in Werkzeugmaschinen mit RFID-Chips ist bereits etabliert. Neu ist die direkte Datenanbindung über die USB-Schnittstelle der Maschine. So kann der Werkzeugverschleiß ohne aufwändiges Nachrüsten nachvollzogen und eine vorausschauende Wartung vorgenommen werden.

Herausragend war, dass alle drei Sensorik-Unternehmen durch jeweils zwei Referenten vertreten waren. Dadurch wurden jeweils sowohl die Perspektive der eigenen Fertigung als auch die Perspektive der Kunden bzw. Geschäftsmodelle beleuchtet. Alle Referenten waren sich darin einig, dass Industrie 4.0 kein Produkt oder abgeschlossener Zustand ist, sondern ein andauernder Prozess.

Die Best-Practice-Vorträge wurden ergänzt durch die Pitches, in denen Anbieter von Industrie 4.0-Technologien ihre Lösungen für die Sensorfertigung kurz vorstellen konnten. Das Spektrum der Lösungen von Asvin, ATR Software, Cedalo, Endiio, Peakboard und Trivadis reicht von Sicherheitslösungen für Datenpakete bis zum Sammeln, Aufbereiten und Analysieren von Daten, von Streemsheet-Lösungen bis zum Predictive Maintenance-Gesamtkonzept zum Nachrüsten.

Im abschließenden Workshop-Teil wurden zwei Herausforderungen ausgewählt und erörtert, die bei der Integration von Industrie 4.0-Technologien zu meistern sind: die Anonymisierung von Maschinendaten sowie die Interoperabilität der Services verschiedener Sensorhersteller.

Das Ziel der Veranstaltung war, dass Vertreter innerhalb der Sensorik-Branche sich über Ihre konkreten Erfahrungen und Mehrwerte zum Stand von Industrie 4.0 in der eigenen Fertigung austauschen. Zusätzlich sollten Anwender aus dieser Branche mit Technologieanbietern zusammengebracht werden, um gemeinsam Herausforderungen und Lösungen zu diskutieren. Beides ist sehr erfolgreich gelungen.

Weiterführende Informationen