Meldung
04.10.2018

H2BZ-Initiative Hessen: Windwasserstoff ist „Kraftstoff” für eine regionale Wertschöpfung – nicht nur in Hessen

Ab dem 1. Januar 2021 endet für die ersten Windenergieanlagen (WEA) die Vergütung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), deren Förderung nach 20 Betriebsjahren ausläuft. Am 30. August 2018 diskutierten rund 60 Vertreterinnen und Vertreter der Wasserstoff- und Brennstoffzellenbranche und der Energiewirtschaft während eines eintägigen Workshops u. a. der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen e. V. (H2BZ-Initiative Hessen) in Grebenhain (Vogelsberg) die Konsequenzen.

Technische und regulatorische Aspekte der Wasserstofferzeugung aus Windstrom zeichnerisch dargestellt (Ausschnitt).
Technische und regulatorische Aspekte der Wasserstofferzeugung aus Windstrom zeichnerisch dargestellt (Ausschnitt).
© H2BZ-Initiative Hessen / Ruflair
H2BZ-Initiative Hessen: Windwasserstoff ist „Kraftstoff” für eine regionale Wertschöpfung – nicht nur in Hessen

Für die Betreiber solcher sogenannter „Post-EEG-WEAs” stellt sich die Frage, ob ein „Repowering” am Standort möglich und gegebenenfalls wirtschaftlicher ist als ein Weiterbetrieb über die technisch mögliche Restlaufzeit der Anlage. Diese Fragestellung wurde insbesondere unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zur Herstellung von grünem Wasserstoff und dessen Einsatz als „grüner” Kraft-, Brenn- und Rohstoff für die Industrie oder den Mobilitätssektor betrachtet.

Die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen e. V. (H2BZ-Initiative Hessen) und die Hessische LandesEnergieAgentur (LEA) luden in Zusammenarbeit mit der hessischen Landesgruppe des Verbandes kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) zu dem Workshop „Wasserstofferzeugung als Nutzungsoption für Windparks nach Ablauf der EEG-Förderung” ein. Prof. Dr. Birgit Scheppat von der Hochschule RheinMain und Mitglied des Vorstands der H2BZ-Initiative Hessen moderierte die Fachdiskussion, in der sich Stadtwerke und Energiegenossenschaften als Betreiber von Windparks, Projektierer und Dienstleister rund um den Anlagenbetrieb, kommunale und gewerbliche Teilhaber, Hersteller von Elektrolyseuren sowie Investoren austauschten und Handlungsbedarfe seitens der Energiebranche und der Politik ermittelten.

2021 erreichen deutschlandweit WEAs mit einer Gesamtleistung von ca. 4 GW ihr Förderende. 50 Prozent der Anlagen gehören zur Leistungsklasse bis 1 MW, die restlichen 50 Prozent bis 2 MW. Ab 2021 seien pro Jahr Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 2,4 GW vom Auslaufen der EEG-Förderung betroffen, berichtete Leif Rehfeld von der Deutsche WindGuard GmbH. Die Betreiber stehen dann vor der Entscheidung, ob sie die Anlagen rückbauen, durch neue, leistungsfähigere WEAs ersetzen oder die Altanlagen weiterbetreiben. Ein Repowering ist für viele Standorte attraktiv, da neue Anlagen mit Nabenhöhen von über 140 Metern bis in Luftschichten mit höheren und konstanteren Luftgeschwindigkeiten ragen und 3.000 Betriebsstunden und mehr pro Jahr erlauben. Doch verschärfte Naturschutzauflagen, neue Abstandsregelungen oder wirtschaftliche Erwägungen können auch gegen ein Repowering und für einen Weiterbetrieb der Altanlagen sprechen, falls ihr technischer Zustand dies erlaubt und das passende Betreibermodell angewandt wird.

Wie hoch der Anteil der weiterbetriebenen Anlagen bundesweit und in Hessen sein wird und über welche durchschnittlichen Zeiträume ein Weiterbetrieb möglich ist, war Gegenstand der Diskussion. Dr. Thomas Nietsch von der Abo Wind AG erläuterte, dass „moderne WEAs meistens für die Entwurfslebensdauer von 20 Jahren ausgelegt sind. Die tatsächlichen Belastungen sind jedoch stark vom Standort abhängig.” Exakte Zahlen konnten aufgrund der unterschiedlichen hersteller-, windpark- und betreiberspezifischen Gegebenheiten nicht genannt werden. Als typische Restlaufzeiten für ältere WEAs wurden 3 bis 8 Jahre genannt, wobei in Einzelfällen auch bis zu 20 Jahre realisierbar seien könnten. Konsens – auch von Seiten der anwesenden Hersteller von Elektrolyseuren – war jedoch, dass die potenziellen Erlöse aus der Strom- und Wasserstofferzeugung unter den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen während der tatsächlich zu realisierenden Restlaufzeiten kaum oder nur in wenigen Einzelfällen ausreichen, um die Investitionen in Elektrolyseanlage finanziell zu rechtfertigen.

Dies bedeute jedoch keinesfalls das Aus für die Produktion von Wasserstoff aus Windstrom, waren sich die Workshop-Teilnehmenden einig. Im Gegenteil: Ohne Wasserstoff als Langfristspeicher für die steigenden Mengen an volatil erzeugtem Strom aus regenerativen Quellen seien die vom Gesetzgeber festgeschrieben Klimaziele nicht zu erreichen. Schließlich soll bereits bis 2030 der EE-Anteil an der Stromerzeugung auf 65 Prozent steigen. Daher muss bereits heute mit dem Aufbau der bis dahin – und in den Folgejahren verstärkt – benötigten Elektrolyse-Kapazitäten begonnen werden.

Dass die Kombination aus Windkraft und Wasserstoff technisch und wirtschaftlich machbar ist, zeigte Dr. Martin Kopp von der Hochschule RheinMain, der die Ergebnisse seiner Untersuchung verschiedener Betriebsmodelle für die Erzeugung von grünem Wasserstoff am Beispiel des Energieparks Mainz vorstellte. Wasserstoff ist nicht nur ein für das Gelingen der Energiewende notwendiges Speichermedium, sondern schafft auch die Voraussetzung zur Dekarbonisierung der Bereiche Wärme, Mobilität und Industrie. So fasste denn auch Johannes Kuhn von der EMCEL GmbH zusammen: „Wasserstoff bzw. Power-to-Gas ist der Schlüssel zur erfolgreichen Sektorenkopplung. Vor allem die Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur bietet volkswirtschaftliche Vorteile. Momentan ist die Vermarktung des Wasserstoffs im Verkehr und in der Industrie am profitabelsten.” Als vor Ort produzierter Kraftstoff kann Wasserstoff dazu beitragen, regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen, anstatt fossile Kraftstoffe zu importieren. Außerdem sind Elektrolyseure netzdienlich und können maßgeblich dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren.

Noch sind die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen der Sektorenkopplung, insbesondere von Power-to-Gas, verbesserungsbedürftig. Zu diesem Schluss kommt Dr. Fabio Longo, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Die Rechtslage sei sehr unübersichtlich, äußerst komplex und auch für auf das Energierecht spezialisierte Juristen nur schwer interpretierbar. Er kommt zu dem Schluss: „Die Einordnung von Speicher als Letztverbraucher und die daraus resultierende Belastung von Power-to-Gas mit energierechtlichen Entgelten, Umlagen (z.B. EEG) und Abgaben sind ein Systemfehler.”

Prof. Scheppat betonte ebenfalls: „Elektrolyseure und Power-to-Gas-Speicher dürfen nicht als Letztverbraucher angesehen und dadurch im EEG nachteilig bewertet werden.” Sie forderte die Anwesenden auf, aktiv darauf hinzuwirken, dass diese Botschaft die Vertreter der Politik auf Bundes- und Landesebene erreicht. Erste Schritte in die richtige Richtung seien im aktuellen Koalitionsvertrag der Regierungsparteien bereits erkennbar.

Die H2BZ-Initiative Hessen wird in weiteren Gesprächen die Ergebnisse, Anregungen und Forderungen an die Politik diskutieren und Handlungsempfehlungen formulieren. Prof. Scheppat beschloss die Veranstaltung mit einer Einladung zum Brennstoffzellenforum Hessen 2018 des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, das am 23. Oktober 2018 in Darmstadt stattfinden wird. Im Mittelpunkt der Fachvorträge und der Ausstellung des diesjährigen Forums werden „Brennstoffzellenfahrzeuge für kommunale und gewerbliche Flotten” stehen – und damit ein Ansatz, durch den Wasserstoff aus erneuerbaren Energien unter anderem zur Luftreinheit in hessischen Städten beitragen kann.

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