Meldung
03.08.2018

microTEC Südwest: Expertenaustausch – 3D-Druck von funktionalem menschlichen Gewebe

Auf dem ersten „3D-Bio-NET-working-event” am 18. Juli 2018 in Freiburg im Breisgau trafen sich Expertinnen und Experten aus Forschung, Industrie und Medizin, um die aktuellen Entwicklungen, Möglichkeiten und Hindernisse im Bereich 3D-Bio-Druck zu diskutieren. Ziel des gastgebenden Forschungsvorhabens „3D-Bio-Net”, das vom Spitzencluster microTEC Südwest koordiniert wird, sind Aufbau, Erforschung sowie praktische Erprobung einer Plattform für den digitalen Druck von künstlichem Gewebe. Das Drucken von lebenden Zellen zu dreidimensionalen funktionalen Strukturen hat sich in den letzten Jahren rasant zu einer der Zukunftstechnologien entwickelt, die Medizin und Pharmaforschung in der Zukunft fundamental verändern werden. Die Fachleute aus ganz Deutschland hatten die Gelegenheit, sich mit den Projektpartnern des BMBF-geförderten Projekts „3D-Bio-Net” zu vernetzen und gemeinsam neue Ideen anzustoßen.

3D-BioNET-working-event
3D-BioNET-working-event
© microTEC Südwest
microTEC Südwest: Expertenaustausch zu den Möglichkeiten des 3D-Drucks von funktionalem menschlichen Gewebe

Die Komplexität des Themas zeigt sich in der Breite der erforschten und diskutierten Themen: Das Spektrum reicht von Biotinten über regulatorische Anforderungen, den Anforderungen an die Software, Hardware und die Druckprozesse bis hin zu den Anwendungsszenarien „Organ-on-Chip” sowie Knochen- und Knorpel-Ersatzgewebe.

Derzeit entwickelt sich das digitale Drucken von künstlichem Gewebe (engl. „3D-Bio-Printing”) zu einer vielversprechenden Technologie zur Erzeugung lebender, künstlich hergestellter Gewebe für die Forschung in den Lebenswissenschaften sowie für Anwendungen in der regenerativen Medizin, weit über die Möglichkeiten der konventionellen Gewebeersatzforschung (engl. „Tissue Engineering”) hinaus. Im Gegensatz zu herkömmlichen, kommerziell verfügbaren 3D-Druckverfahren, die inzwischen als industrielle Fertigungsmethoden etabliert sind, ist 3D-Bio-Printing viel komplexer: Beim digitalen Drucken von lebendem Gewebe und (Mikro-) Organmodellen gilt es, eine große Vielfalt an lebenden Zellen an verschiedenen Biomaterialien wie z. B. Hydrogele oder Biopolymere sowie eine Vielzahl verschiedener Verarbeitungs- und Druckverfahren zu beherrschen. Nicht zuletzt müssen für klinische Anwendungen auch strenge regulatorische Anforderungen berücksichtigt werden.

Ziel der Veranstaltung war es, Experten aus ganz Deutschland zu vernetzen, die aktuellen Entwicklungen, Möglichkeiten und Hindernisse im Bereich 3D-Bio-Druck zu diskutieren und gemeinsame Ideen zu entwickeln. Durch die Thementische im Foyer wurde dem in den Pausen des hervorragend besetzten Vortragprogramms ausreichend Rechnung getragen. Der Teilnehmerkreis umfasste zu gleichen Teilen Forschende an Universitäten, Unikliniken und Forschungseinrichtungen sowie Unternehmensvertreter aus den Bereichen des Tissue Engineerings, der Mikrofluidik, Hard- und Software aber auch der Innovationsförderung.

Prof. Dr. Rolf Mülhaupt, Direktor des Institutes für Makromolekulare Chemie und geschäftsführender Direktor des Freiburger Materialforschungszentrums FMF der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, führte als Vorreiter der Technologie in seinem Leitvortrag die Zuhörer als Zeitreise von den Anfängen des konventionellen 3D-Drucks und des Bio-Printings bis hin zu heutigen Entwicklungen und einem Ausblick.

Prof. Dr. Rolf Mülhaupt
Prof. Dr. Rolf Mülhaupt
© microTEC Südwest
microTEC Südwest: Expertenaustausch zu den Möglichkeiten des 3D-Drucks von funktionalem menschlichen Gewebe

Bereits vor 15 Jahren wurden die ersten Geräte für das Drucken von lebenden Zellen und gelartigen sogenannten Biotinten gebaut. Der EnvisionTEC-Drucker, an dessen Entwicklung Prof. Mülhaupt mit beteiligt war, findet u. a. Einsatz in der Biofabrikationsindustrie, die z. B. Produkte für die Knochenregeneration und die Medikamentenfreigabe herstellt. Prof. Mülhaupt betonte die hohe Interdisziplinarität dieses Forschungsgebietes: Um solche komplexen Vorhaben realisieren zu können, müssen Biologie, Medizin, Materialwissenschaften, Informatik und Mikrosystemtechnik eng zusammenarbeiten. Auch institutionsübergreifend sollte die Kooperation von Forschung und Industrie auf diesem Gebiet gefördert werden. Freiburg geht hier als Vorbild voran.

Überaus spannend sieht auch der Blick in die Zukunft aus: Was wird in 20, 30 Jahren dank 3D-Bio-Printing-Verfahren möglich sein? Das gern gezeigte Bild des funktionalen Herzens aus dem Drucker liegt zwar noch in weiter Ferne, wenn aber der kritische Punkt der Vaskularisierung, d. h. der Versorgung des gedruckten Organs durch funktionale Blutgefäße gelingt, ist ein großer Schritt Richtung Organersatz getan.

Prof. Dr. Jürgen Groll, Inhaber des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde am Universitätsklinikum Würzburg, zeigte aktuelle Anwendungsfelder des 3D-Bio-Printings auf und ging auf Möglichkeiten der Translation in die Klinik ein. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Herstellung von funktionalen Blutgefäßen. Aufgrund des hohen Individualisierungsgrads bietet das 3D-Bio-Printing speziell bei seltenen Krankheiten, für die es aktuell noch keine Therapiemöglichkeiten gibt, gute Anwendungsmöglichkeiten. Auch Prof. Groll unterstrich, wie wichtig biologisches Wissen und Interdisziplinarität für diese Technologie sind. „Auch die Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen, gerade für die klinische Anwendung, hat einen hohen Stellenwert”, betonte Prof. Groll, der darüber hinaus Sprecher des 2018 neu gestarteten Transregio-Sonderforschungsbereichs (SFB-225) „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen” ist.

Weitere Anwendungsfelder für das 3D-Bio-Printing offenbarten die beiden Referenten, Dr. Bünte vom G.E.R.N. Konsortium am Universitätsklinikum Freiburg und Dr. Rimann von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil, Schweiz. Beide gaben Einblicke in ihre Forschungsfelder und die praktische Umsetzung beispielsweise in der Industrie zur Vermeidung von Tierversuchen durch 3D-Bio-gedruckte Gewebemodelle oder auch in der Klinik als Kniegelenk-Ersatz.

Dr. Peter Koltay vom IMTEK Freiburg und gleichzeitig Sprecher des Konsortiums sowie die Projektpartner aus mittelständischen Unternehmen (KMU) und Forschungseinrichtungen stellten eindrücklich vor, welche Beiträge das vom BMBF-geförderte Projekt zur Weiter­entwicklung des 3D-Bio-Printings leisten wird. Ein Highlight war der 3D-Bio-Printer Prototyp des Partners Biofluidix aus Freiburg, der erstmalig einem breiten Publikum vorgestellt wurde und demnächst den anderen Projektpartnern für erste Testläufe zur Verfügung gestellt werden wird.

Auf großes Interesse stießen die vier Thementische des Projektkonsortiums zu Software-Herausforderungen, Biotinten und regulatorische Anforderungen, Organ-on-Chip-Modellen sowie Hardware- und Druckprozessen, an denen die Teilnehmenden sich zum aktuellen Stand des 3D-Bio-Net Projektes informieren konnten. Darüber hinaus wurden die Thementische auch rege genutzt, um sich mit weiteren Expertinnen und Experten zu vernetzen und neue Ideen für gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln.

Dr. Koltay vom IMTEK in Freiburg und Sprecher des 3D-Bio-Net-Konsortiums zog ein sehr positives Fazit: „Der Tag bot einen guten Überblick zum Stand der Technik im 3D-Bio-Printing und der umfangreichen Expertise, die in Freiburg und Umgebung durch die Vielzahl an Instituten, Unternehmen und Kliniken gegeben ist. Mit Blick in die Zukunft gibt es noch viel zu tun, doch wir sind auf einem guten Weg und das Wichtigste sind funktionierende Netzwerke und Kontakte, besonders um den hohen Grad der Interdisziplinarität realisieren zu können.”

Die Veranstaltung wurde von microTEC Südwest e. V. organisiert und durchgeführt. Das Spitzencluster koordiniert das 3D-Bio-Net-Projekt.

Weiterführende Informationen

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